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Copy, right? Eine Hommage an den BACKENZAHN™

Im Jahr 2016 feiert e15 zwei Jahrzehnte seines Hockers BACKENZAHN™ mit einer humorvollen und ausdrucksstarken Installation bei den Stylepark Featured Editions auf der imm cologne, die die Themen geistiges Eigentum und Urheberrechtsverletzung behandelt. Die Ausstellung begleitend, beschäftigt sich das Buch „copy, right?“, herausgegeben von Trademark Publishing, ebenfalls mit dem Hocker BACKENZAHN™ und nimmt dabei eine künstlerische Perspektive ein. Mit einem Vorwort von Designkritiker Markus Frenzl, Photographien von Ingmar Kurth und Konzeption und Gestaltung von Antonia Henschel, greift das Buch die Problematik Urheberrechtsverletzung auf, in dem es sich auf die Präsentation verschiedenster Plagiate konzentriert. „copy, right“ ist erhältlich über Amazon und alle Buchhandlungen.

Von echten und falschen Backenzähnen

Text: Markus Frenzl

Vier Holzklötze, jeweils an zwei Seiten abgeschrägt, so miteinander verbunden, dass die Schrägen im Inneren zusammenlaufen, das Volumen des Gesamtkörpers sich nach unten hin reduziert und auf der Sitzfläche ein dünnes Fugenkreuz entsteht. Eine simple Geometrie. Und eine archaische Präsenz. Das muss sich doch leicht nachbauen lassen! – Sobald der Backenzahn™ auf den Markt kam, fand er Nachahmer. Seit 20 Jahren tauchen immer wieder Kopien und Zitate des einfach anmutenden Entwurfs auf. Bei Billigmöbelhäusern und auch bei anspruchsvolleren Massivholzmöbelbauern, vom örtlichen Schreiner nachgebaut oder in Fernost aus exotischem Holz gefertigt, als astlochfreie Edelvariante, ohne die Schattenfuge oder mit viel zu großem Abstand zwischen den einzelnen Elementen, mit verkürzten Stummelbeinen, mit frei liegenden Zahnhälsen, in verzogenen Proportionen. Unzählige Backenzahnkopien erweisen einem Klassiker ihre illegale Reverenz. Manchmal fast rührend in ihrer plumpen Unbeholfenheit. Manchmal eine bemühte Kopie. Manchmal dreist Originalität behauptend. Der BackenzahnTM-Hocker, den Philipp Mainzer 1996 entwarf, wurde binnen kürzester Zeit zum Statement, das viele andere auch gerne abgeben wollten. Selbst wenn sie nicht zuerst darauf gekommen waren.

Seine Entstehung verdankt er einer Resteverwertung: Beim Zurechtschneiden der quadratischen Kernholzstücke für die Beine des Bigfoot™-Tisches entstanden Holzreste, die zu schön waren, um sie einfach wegzuwerfen. Zusammengefügt ergaben vier von ihnen einen Hocker, der in seiner prägnanten Zeichenhaftigkeit schnell ein Eigenleben entwickelte und sich als Ausdruck unterschiedlichster Tendenzen im Design interpretieren ließ: Als Beleg für die Wiederentdeckung von Eiche und Massivholz. Als Zeichen der erneuten Annäherung des zeitgenössischen Designs ans Handwerk. Als Zeugnis für die Sehnsucht nach einem natürlicheren, authentischeren Leben im Zeitalter der Digitalisierung. Als Objekt, das für eine Beschränkung aufs Wesentliche ebenso stand wie für den Wunsch nach Langlebigkeit, die nach den schnelllebigen Trends der 1980er-Jahre wieder in den Fokus rückte. Ganz selbstverständlich reihte er sich so in die Riege simpler Hockerentwürfe der Designgeschichte ein und wurde in die Designsammlungen mehrerer Museen aufgenommen. Wie schon der 1954 von Max Bill, Hans Gugelot und Paul Hildinger entworfene Ulmer Hocker besticht er durch formale Einfachheit und besteht nur aus Holz, ganz ohne Elemente, die industriell gefertigt werden müssen – viele Nachahmer betrachten das wohl als Freibrief.

Der Backenzahn™ ist kein leichtes graziles Möbel, das im Raum mal hier, mal dort als Beistelltischchen dient. Er ist kein Baumstamm, aber er behauptet sich mit seiner Materialität, den Rissen im Holz, mindestens ebenso trotzig neben eleganteren Möbeln, polierten Oberflächen, feinen Stoffen oder fehlerfreien Materialien. Er ist wie der einfache Mensch aus dem Volke im Bildungsroman des 19. Jahrhunderts, der sich mit Herzensbildung in der gehobenen Gesellschaft durchsetzt. Ein Stück Natürlichkeit und Authentizität, das alles Chichi der Lächerlichkeit preisgibt. Der Hocker steht da, als hätte jemand ein paar Brennholzscheite im Wohnzimmer abgelegt. Und offenbart doch bei näherer Betrachtung eine Symmetrie und Ausgewogenheit, die man dem ungehobelten Klotz kaum zutrauen würde. Mit diesem Statement wurde der Backenzahn™ für e15 zum „Signature Piece“, das die zentralen Werte des Unternehmens transportiert: Die Verbindung von Handwerk und zeitgenössischer Form, den adäquaten Umgang mit dem Material, das eklektische Spiel mit Kontrasten, die Balance zwischen visueller Langlebigkeit und formaler Prägnanz. Er schaffte es so in unzählige Wohnungen auf der ganzen Welt. Als Blickfang in Agenturen oder designbewusste Zahnarztpraxen. Als kontrastierend rustikales Objekt in makellos weiße Interieurs. In Dutzende Shootings und auf unzählige Cover. Neben die Reeditionen der Ferdinand Kramer-Möbel. Als Erkennungszeichen selbst vor die neuesten Entwürfe des Unternehmens. Als Miniatur in die Sammlervitrine. Und als kleiner Button auf die Revers der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von e15. Längst zum Designklassiker geworden, wird der Backenzahn™ wohl wieder und wieder kopiert, nachgebaut, absichtlich abgewandelt oder unfreiwillig verfremdet werden. Kein noch so gutes Imitat aber kann jemals einen echten Zahn ersetzen.